Behind the scenes beim Flug ins All

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Behind the scenes beim Flug ins All: Um die Aktion professionell umzusetzen, holte sich das Team von einfach hoch hinaus professionelle Untersützung – und kooperierte deswegen mit den Jungs von Stratoflights.de. Und dabei haben wir auch Marcel Dierig im Interview befragt – lesen Sie alles über

Die Schnitzeljagd der Zukunft

Marcel, normale Werbefilme entstehen bodennah in Filmstudios. Euer junges Unternehmen Stratoflights bietet von Blomberg bei Paderborn aus unter anderem Werbeaktionen in der Stratosphäre an, indem ihr einen echten ‚Flug ins All’ startet. Welche Bedingungen gelten dort oben?

Zunächst einmal ist da die beeindruckende Höhe: Unsere Wetterballons fliegen bis zu 40.000 Meter hoch, dreimal höher als Verkehrsflugzüge. Über uns kommt sozusagen nur noch die Internationale Raumstation. Dazu kommen Temperaturen von bis zu minus 60°C. Da brauchen wir unsere eigenen Tricks, um Objekte dorthin zu transportieren und Bilder zu machen. Die ganze Aktion macht Partnern und Zuschauern Spaß…

 

Wenn man eure Videos sieht, stellt man zuerst die Frage, wie man an die Bilder kommt?

Grundsätzlich läuft es so ab: Die Ballonhaut ist aus Naturlatex und dehnt sich mit zunehmender Höhe wegen des abnehmenden Umgebungsdrucks aus. Dabei wächst der Ballon von etwa zwei Metern Durchmesser am Boden auf zwölf bis 15 Meter an – und platzt irgendwann. Ein Fallschirm faltet sich automatisch aus. Und die Sonde – ein stabiler Styroporkasten, in dem die Kameras, GPS- und Messinstrumente eingebaut sind –, segelt daran zurück zur Erde. Bild- und Videomaterial kommen auf diese Weise nicht nur vom Flug ins All, sondern auch vom Rückflug auf die Erdoberfläche zustande.

 

Das Ergebnis nennt ihr „Marketing am Rande des Weltalls“. Wie kommt man eigentlich auf so eine Idee?

Wir sind als Team und Gründer von Stratoflights auch gute Freunde. Als Schüler haben wir früher in unserer Freizeit zusammen Kurzfilme gedreht, nachgestellte Rambo-Szenen und so weiter (lacht). Eines Tages stieß ich im Netz auf ein verwackeltes, aber zweifelsfrei echtes Weltraumfoto. Ich fand heraus, dass Studenten in den USA diese Aufnahmen mithilfe eines Wetterballons gemacht hatten – und überzeugte meine Freunde, uns an einer neuen Filmidee zu versuchen. Wir fanden erst einmal keine Anleitungen oder Internetforen für Stratosphärenexperimente und mussten uns alles Nötige selbst aneignen… Aber dann kamen wir über einen Privatanbieter an einen ersten Heliumballon, wie sie auch vom deutschen Wetterdienst benutzt werden. Als wir den zusammen mit unserer selbstgebauten Sonde aufsteigen ließen, rechneten wir überhaupt nicht damit, dass wir die Kameras je wiedersehen würden.

 

Aber es lief besser, als ihr gedacht habt…

Ja, wir fanden tatsächlich das „Gepäck“ in siebzig Kilometer Luftlinie-Distanz wieder. Zu Hause sahen wir uns voller Aufregung die Videos an. – Da hat keiner mehr etwas gesagt, so faszinierend waren die Bilder! Weil man wirklich das weite Schwarz des Weltalls und diese blau leuchtende Erde sah.

 

Das Video eures ersten Flugexperiments wurde auf Youtube zehntausende Male aufgerufen. Danach folgte eine Start-Up-Geschichte wie aus dem Lehrbuch. Warum schlug die Idee so ein?

Ursprünglich hatten wir gar keine kommerzielle Absicht. Wir wollten den Kick für uns nicht einmal wiederholen, weil so ein Ballonstart ja auch mehrere hundert Euro an Equipment kostet. Aber dann machte unser Video im Fernsehen die Runde, und wir bekamen mehr und mehr Medienanfragen, von Galileo, Welt der Wunder, n-tv und so weiter: Ob wir die Aktion wohl wiederholen können? Eine Zeit lang blieben wir beim Fernsehen… und das quasi im Ehrenamt. 2012 kam dann Stern TV, die für eine Jubiläumssendung ihren Moderator „zu den Sternen schicken“ wollten: Wir wurden zur Live-Sendung eingeladen – mit sechs Millionen Zuschauern! Und jeder sah, dass wir eine Playmobilfigur ins All geschickt hatten – das erste Objekt, das wir befördert haben. Bis dahin hatten wir nur die Fotos gemacht.

 

Heute startet ihr für Kunden wie die Deutsche Telekom, Skoda und RTL. Für AMD habt ihr einen Chip hochgeschickt, für den ADAC Luftaufnahmen von Westfalen gemacht. Und jedes Mal müsst ihr eure Kamerabox hier unten wiederfinden. Habt ihr keine hohe Verlustrate?

Bisher konnten wir alle Sonden bergen. Ballon und Fallschirm legen insgesamt meist zwischen 50 und 150 Kilometer Entfernung zum Startpunkt zurück – einmal waren es sogar 300 Kilometer. Aber mit einer speziellen Software können wir den Landebereich, abhängig von den Windverhältnissen, sehr gut vorausberechnen. Per GPS-Signal kommen wir vor Ort dann auf fünf Meter genau an die Box heran. Manchmal finden andere die Sachen vor uns, aber unsere Kontaktdaten sind immer innen und außen angebracht und die Leute melden sich schon aus Neugier bei uns. Selbst als wir einmal auf einem Jahrmarkt gelandet sind, mitten im „Fliegenden Teppich“: Der Besitzer des Fahrgeschäfts rief uns an, und als wir vorbeikamen, konnten wir unsere Sonde an der Schießbude abholen.

 

Kann die Sonde nicht auch gefährlich landen?

Die Wahrscheinlichkeit, in einem bewohnten Gebiet zu landen, ist sehr gering. In Deutschland sind nur zwölf Prozent der Gesamtfläche mit Häusern, Straßen und Grünanlagen bebaut. Und vor Flüssen und Seen braucht man fast gar keine Angst zu haben, da die Wasserfläche bei uns nur 0,3 Prozent beträgt. Wir haben aber eine Versicherung für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Sonde beim Aufkommen irgendeinen Schaden anrichtet, aber man muss auch wissen, dass die Sonde nur wenige hundert Gramm leicht ist. Außerdem melden wir natürlich jede Aktion bei der Deutschen Flugsicherung an.

 

Ist wirklich noch nie etwas Grenzwertiges passiert?

Man erlebt wirklich Einiges. Aber nach weit über hundert Flügen kann uns eigentlich nichts mehr aus der Ruhe bringen. Bei einer Aktion sind wir etwa mit der Sonde auf dem Dach eines Gefängnisses gelandet – und das hat einen Alarm ausgelöst. Da rückte die Mannschaft an, weil sie dachten, es gäbe einen Ausbruchsversuch! Und wir dachten, das gibt jetzt Ärger. Aber vom Wärter bis zum Direktor waren alle nur fasziniert und kopierten sich sogar die Aufnahmen.

 

Die Sonde gleitet ja an einem Fallschirm zurück zur Erdoberfläche. Was tut ihr, wenn sich der in einem Baum verfängt?

Für die Bergung haben wir immer spezielle Katapulte, Kletterausrüstung und Teleskopstangen dabei. In ganz seltenen Fällen holen wir uns Hilfe von Industrie- oder Baumkletterern. Einmal sind wir für unseren Kunden Airport München am Schloss Neuschwanstein gestartet: Es war im Winter, eine wunderschöne Atmosphäre, und es gab richtig tolle Aufnahmen. Allerdings ist die Sonde mitten in den schneebedeckten Bergen wieder runtergekommen. Wir mussten bis Mitte April warten und Alpinisten haben sich letztlich zum Landepunkt abgeseilt.

 

Kann man denn die Bilder nicht auch im Studio herstellen, ohne den ganzen Aufwand? Schließlich werdet ihr auch von den ganz großen Werbeagenturen beauftragt.

Klar, große Filmstudios könnten das auch irgendwie faken. Aber es geht ja um mehr als nur perfekte Bilder. Die Leute sehen die Fotos und denken erstmal: Wow, was ist das denn? Dann forschen sie nach, nach dem Motto: Das kann gar nicht echt sein! Und dann entdecken sie, dass wirklich nichts nachgestellt ist, und sehen, dass man mit relativ einfachen Mitteln eine eigene ‚Weltraummission’ starten kann. Und man kann in echt teilnehmen an der Aktion! Dieser Wow-Effekt und der Abenteuercharakter erzeugen auch die enorme Reichweite im Internet. Das ist etwas anderes als Fotos von neuen Messeständen. Und Klickzahlen von mehreren Hunderttausend sind überhaupt kein Thema mehr.

 

Marcel, wir danken Dir für das Gespräch.

 

(Das Interview führte Lennart Will / einfach-hoch-hinaus.com)